Bürgerwindparks: Lokale Beteiligung an der Energiewende

Wie Bürgerwindparks die Akzeptanz für Windenergie in der Bevölkerung steigern können und welche Modelle für lokale Beteiligung sich bewährt haben.

Bürger bei einer Informationsveranstaltung zu einem Windparkprojekt

Warum lokale Beteiligung wichtig ist

Die Energiewende kann nur gelingen, wenn sie von der breiten Bevölkerung mitgetragen wird. Insbesondere bei Windkraftprojekten zeigt sich jedoch oft Widerstand in den betroffenen Gemeinden. Die Gründe sind vielfältig: Bedenken wegen Lärm, visueller Beeinträchtigung der Landschaft oder möglicher Auswirkungen auf die lokale Tierwelt. Dazu kommt das Gefühl, dass die Lasten vor Ort getragen werden müssen, während die wirtschaftlichen Vorteile überwiegend großen Unternehmen oder auswärtigen Investoren zugutekommen.

Bürgerwindparks bieten hier eine attraktive Alternative: Sie ermöglichen es Anwohnern und lokalen Akteuren, sich direkt an den Projekten zu beteiligen – finanziell, aber auch bei der Planung und Umsetzung. Dadurch steigt die Akzeptanz deutlich, und die Wertschöpfung bleibt zu einem größeren Teil in der Region.

Was ist ein Bürgerwindpark?

Ein Bürgerwindpark ist ein Windenergieprojekt, an dem sich Bürger, insbesondere aus der näheren Umgebung des Standorts, finanziell beteiligen können. Die Beteiligungsformen können dabei unterschiedlich gestaltet sein:

Genossenschaftsmodell

Bei diesem weit verbreiteten Modell wird eine Energiegenossenschaft gegründet, an der sich Bürger mit Genossenschaftsanteilen beteiligen können. Jedes Mitglied hat unabhängig von der Höhe seiner Einlage eine Stimme. Dies garantiert demokratische Entscheidungsstrukturen und verhindert, dass einzelne Großinvestoren die Kontrolle übernehmen.

GmbH & Co. KG-Modell

Bei diesem Modell wird eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) als Komplementärin und eine Kommanditgesellschaft (KG) gegründet, an der sich Bürger als Kommanditisten beteiligen können. Der Vorteil: Die Haftung der Bürger ist auf ihre Einlage beschränkt, und die Stimmrechte können flexibel gestaltet werden.

Hybridmodelle

Viele Projekte kombinieren verschiedene Beteiligungsformen. So kann beispielsweise ein Teil des Windparks von einer Energiegenossenschaft betrieben werden, während andere Anlagen von der Kommune oder lokalen Unternehmen gehalten werden.

Erfolgsbeispiele aus Deutschland

In Deutschland gibt es bereits zahlreiche erfolgreiche Bürgerwindparks, die zeigen, wie lokale Beteiligung funktionieren kann:

Bürgerwindpark Hollich in Nordrhein-Westfalen

Dieser Windpark mit 13 Anlagen und einer Gesamtleistung von 29 MW wurde von einer Bürgerenergiegenossenschaft realisiert. Über 450 Bürgerinnen und Bürger aus der Region haben sich mit insgesamt 8 Millionen Euro beteiligt. Das Besondere: Die Mindestbeteiligung lag bei nur 1.000 Euro, sodass auch Menschen mit geringerem Einkommen teilhaben konnten.

Bürgerwindpark Ellhöft in Schleswig-Holstein

Dieser direkt an der deutsch-dänischen Grenze gelegene Windpark wurde bereits 1995 gegründet und später erweitert. Er wird von 43 Bürgern aus dem Ort Ellhöft (der nur 116 Einwohner hat) und der Nachbargemeinde betrieben. Das Projekt gilt als Pionier der Bürgerbeteiligung im Windbereich und hat die lokale Wirtschaft nachhaltig gestärkt.

Bürgerwindpark Jühnde in Niedersachsen

In Jühnde, das bereits als „Bioenergiedorf" bekannt wurde, haben sich die Bürger auch an einem Windpark mit vier Anlagen beteiligt. Das Besondere hier: Der Windpark ist Teil eines integrierten Energiekonzepts, das auch Biogas und Photovoltaik umfasst und die Gemeinde nahezu energieautark macht.

Vorteile für die Gemeinden

Die Vorteile von Bürgerwindparks für die betroffenen Gemeinden sind vielfältig:

Finanzielle Vorteile

Die Erträge aus den Windkraftanlagen fließen zum großen Teil an die lokalen Investoren zurück. Zudem profitieren die Kommunen von Gewerbesteuereinnahmen. In vielen Projekten werden zusätzlich freiwillige Abgaben an die Gemeinden geleistet oder Stiftungen zur Förderung lokaler Projekte eingerichtet.

Regionale Wertschöpfung

Bei der Planung, Errichtung und dem Betrieb von Bürgerwindparks werden bevorzugt lokale Unternehmen und Handwerker eingebunden. Dadurch bleibt ein größerer Teil der Investitionssumme in der Region.

Stärkung des lokalen Zusammenhalts

Die gemeinsame Planung und Umsetzung eines Bürgerwindparks kann das Gemeinschaftsgefühl stärken und weitere kooperative Projekte in der Region anstoßen.

Herausforderungen und Lösungsansätze

Trotz aller Vorteile stehen Bürgerwindparks vor spezifischen Herausforderungen:

Komplexität der Projektentwicklung

Die Entwicklung eines Windparks erfordert Fachwissen und erhebliche zeitliche Ressourcen. Für Bürgergruppen ohne professionellen Hintergrund kann dies eine große Hürde darstellen.

Lösungsansatz: Kooperationen mit erfahrenen Projektentwicklern, die ihr Know-how einbringen, aber die Kontrolle bei den Bürgern belassen.

Finanzierung

Windkraftprojekte erfordern hohe Anfangsinvestitionen. Die Finanzierung aus Eigenkapital allein ist für Bürgergruppen oft nicht möglich.

Lösungsansatz: Spezielle Kreditprogramme für Bürgerenergiegenossenschaften, wie sie von der KfW und einigen Landesbanken angeboten werden. Auch Hybridmodelle mit professionellen Partnern können die Finanzierung erleichtern.

Risikomanagement

Windkraftprojekte sind mit verschiedenen Risiken verbunden, von schwankenden Windverhältnissen bis hin zu regulatorischen Änderungen. Für Bürger, die oft einen großen Teil ihrer Ersparnisse investieren, ist ein solides Risikomanagement entscheidend.

Lösungsansatz: Transparente Information der Teilhaber über alle Risiken, konservative Kalkulation der Erträge, ausreichende Rücklagen für unerwartete Ereignisse.

Politische Rahmenbedingungen

Die politischen Rahmenbedingungen für Bürgerenergieprojekte haben sich in den letzten Jahren deutlich verändert:

Änderungen im EEG

Die Einführung von Ausschreibungen für Windenergieprojekte im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) 2017 stellte Bürgerenergieprojekte vor besondere Herausforderungen. Die ursprünglich vorgesehenen Privilegien für Bürgerenergiegesellschaften wurden teilweise missbraucht und später eingeschränkt.

Neue Impulse

Die aktuelle Bundesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, Bürgerenergieprojekte wieder stärker zu fördern. Im Koalitionsvertrag wird die besondere Bedeutung von Energiegenossenschaften und lokalen Gemeinschaften für die Akzeptanz der Energiewende betont.

Praxistipps für erfolgreiche Bürgerbeteiligung

Aus den Erfahrungen erfolgreicher Bürgerwindparks lassen sich einige Erfolgsfaktoren ableiten:

  • Frühe und umfassende Information: Die lokale Bevölkerung sollte von Anfang an transparent über alle Aspekte des geplanten Projekts informiert werden.
  • Niedrige Einstiegsschwellen: Niedrige Mindestbeteiligungssummen ermöglichen eine breite Beteiligung.
  • Lokaler Fokus: Eine Bevorzugung von Investoren aus der unmittelbaren Umgebung des Windparks erhöht die Akzeptanz.
  • Professionelle Begleitung: Die Unterstützung durch erfahrene Projektierer ist wichtig, sollte aber die Entscheidungshoheit der Bürger nicht in Frage stellen.
  • Langfristiges Denken: Bürgerwindparks sollten nicht auf kurzfristige Gewinnmaximierung, sondern auf langfristige regionale Wertschöpfung ausgerichtet sein.

Fazit

Bürgerwindparks bieten eine Chance, die Energiewende gemeinsam zu gestalten und ihre Akzeptanz zu erhöhen. Sie ermöglichen es, die wirtschaftlichen Vorteile der Windenergie in den Regionen zu halten, in denen die Anlagen stehen. Trotz einiger Herausforderungen zeigen die zahlreichen erfolgreichen Beispiele in Deutschland, dass dieses Modell funktioniert und einen wichtigen Beitrag zur dezentralen Energiewende leisten kann.

Autorin: Dr. Sabine Wagner

Position: Leiterin Bürgerbeteiligung bei WindKraft Deutschland

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