Was ist Repowering?
Unter Repowering versteht man den Ersatz älterer Windkraftanlagen durch moderne, leistungsfähigere Modelle. In Deutschland nähern sich tausende Windkraftanlagen dem Ende ihrer etwa 20-jährigen Betriebszeit. Viele dieser Anlagen wurden Ende der 1990er und Anfang der 2000er Jahre errichtet und sind technisch inzwischen deutlich überholt. Gleichzeitig stehen sie oft an windreichen Standorten, die optimal für die Windenergienutzung geeignet sind.
Repowering bedeutet nicht einfach nur den 1:1-Austausch der Anlagen. In der Regel werden weniger, dafür aber deutlich leistungsstärkere und effizientere Anlagen installiert. Ein Beispiel: Während eine typische Anlage aus dem Jahr 2000 etwa 1 MW Leistung und einen Rotordurchmesser von 60 Metern hatte, verfügen moderne Anlagen über Leistungen von 4-5 MW und Rotordurchmesser von 140 Metern oder mehr.
Potenziale des Repowerings
Das Repowering bietet zahlreiche Vorteile und Potenziale:
Deutliche Leistungssteigerung
Durch moderne, leistungsstärkere Anlagen kann die installierte Leistung an einem Standort erheblich gesteigert werden – oft um das Drei- bis Fünffache. Ein Beispiel aus der Praxis: Ein Windpark in Schleswig-Holstein mit 20 Altanlagen (je 0,6 MW) wurde durch 6 moderne Anlagen (je 3 MW) ersetzt. Die Gesamt-Nennleistung stieg von 12 auf 18 MW, während die tatsächliche Stromproduktion aufgrund der höheren Effizienz sogar um den Faktor 4 zunahm.
Effizientere Flächennutzung
Da weniger, aber leistungsstärkere Anlagen installiert werden, kann die Flächeneffizienz deutlich gesteigert werden. Die Stromproduktion pro Quadratmeter genutzter Fläche nimmt zu, was angesichts des begrenzten Flächenangebots in Deutschland ein wichtiger Faktor ist.
Höhere Netzstabilität
Moderne Windkraftanlagen verfügen über deutlich verbesserte Netzanschlusseigenschaften. Sie können Systemdienstleistungen erbringen, die zur Stabilität des Stromnetzes beitragen – etwa die Bereitstellung von Blindleistung oder die Unterstützung bei Netzfehlern. Ältere Anlagen sind dazu oft nicht in der Lage.
Geringere Umweltauswirkungen
Moderne Windkraftanlagen laufen gleichmäßiger und leiser als ältere Modelle. Zudem sind sie mit verschiedenen Technologien ausgestattet, die den Schutz von Vögeln und Fledermäusen verbessern können (z.B. bedarfsgerechte Nachtkennzeichnung, Abschaltalgorithmen, Ultraschallsysteme). Und nicht zuletzt: Wenn aus 20 alten Anlagen 6 neue werden, reduziert sich die visuelle Beeinträchtigung der Landschaft.
Höhere lokale Akzeptanz
Bei Repowering-Projekten besteht oft bereits eine gewisse Akzeptanz in der lokalen Bevölkerung, da die Windenergienutzung am Standort etabliert ist. Dies kann die Genehmigungsverfahren erleichtern.
Herausforderungen beim Repowering
Trotz der offensichtlichen Vorteile ist Repowering kein Selbstläufer. Es gibt eine Reihe von Herausforderungen, die es zu bewältigen gilt:
Planungsrechtliche Herausforderungen
Viele ältere Windparks wurden nach planungsrechtlichen Vorgaben genehmigt, die inzwischen nicht mehr gelten. So wurden früher oft Einzelgenehmigungen nach §35 Baugesetzbuch erteilt, während heute in der Regel eine Ausweisung von Windenergie-Konzentrationszonen in Flächennutzungsplänen oder regionalen Raumordnungsplänen erforderlich ist.
Wenn ein alter Windpark außerhalb der heutigen Vorranggebiete liegt, kann ein Repowering am selben Standort planungsrechtlich unmöglich sein. In einigen Bundesländern wurden deshalb spezielle Regelungen für das Repowering geschaffen, die gewisse Ausnahmen erlauben.
Höhere Anlagen und Abstandsregelungen
Moderne Windkraftanlagen sind deutlich höher als ihre Vorgänger. Während ältere Anlagen Gesamthöhen von 100-120 Metern aufwiesen, erreichen moderne Anlagen 200 Meter und mehr. Dies kann zu Konflikten mit Abstandsregelungen führen, die in einigen Bundesländern eingeführt wurden.
In Bayern gilt beispielsweise die 10H-Regelung, nach der der Abstand zur Wohnbebauung mindestens das Zehnfache der Anlagenhöhe betragen muss. Bei einer 200 Meter hohen Anlage wären das 2.000 Meter – ein Abstand, der in der dicht besiedelten Landschaft kaum einzuhalten ist.
Schallimmissionen und Schattenwurf
Obwohl moderne Anlagen pro Megawatt leiser sind als ältere Modelle, kann die höhere Gesamtleistung zu stärkeren Schallimmissionen führen. Ähnliches gilt für den Schattenwurf, der durch die größeren Rotoren über weitere Distanzen reichen kann. Hier sind umfangreiche Gutachten erforderlich, um die Einhaltung der Grenzwerte nachzuweisen.
Naturschutzrechtliche Anforderungen
Die Anforderungen des Naturschutzes sind seit der Errichtung vieler älterer Windparks deutlich gestiegen. Artenschutzrechtliche Prüfungen, insbesondere in Bezug auf Vögel und Fledermäuse, sind heute wesentlich umfangreicher und können zu Einschränkungen führen.
Wirtschaftliche Herausforderungen
Das Repowering erfordert erhebliche Investitionen. Während die alten Anlagen in der Regel abgeschrieben sind und günstig Strom produzieren, müssen neue Anlagen finanziert werden. Die Wirtschaftlichkeit hängt stark von der erzielbaren Vergütung ab – entweder durch Ausschreibungen im Rahmen des EEG oder durch Direktvermarktung über PPAs (Power Purchase Agreements).
Best Practices für erfolgreiches Repowering
Aus den Erfahrungen erfolgreicher Repowering-Projekte lassen sich einige Best Practices ableiten:
Frühzeitige Planung
Die Planung für ein Repowering sollte idealerweise mehrere Jahre vor dem Ende der Betriebszeit der alten Anlagen beginnen. Dies gibt ausreichend Zeit für die umfangreichen Genehmigungsverfahren und die Vorbereitung der Finanzierung.
Einbindung aller Stakeholder
Eine frühzeitige Einbindung aller relevanten Akteure – von den Grundstückseigentümern über die Gemeinde bis hin zu den Anwohnern und Naturschutzverbänden – kann die Akzeptanz deutlich erhöhen und Konflikte im Vorfeld lösen.
Detaillierte Standortanalyse
Eine gründliche Analyse der Standortbedingungen ist entscheidend: Wie haben sich die Windverhältnisse in den letzten Jahren entwickelt? Welche naturschutzrechtlichen Besonderheiten gibt es? Wie ist die Netzanbindung beschaffen?
Flexible Anlagenkonzepte
Je nach standortspezifischen Einschränkungen können unterschiedliche Anlagentypen und -konfigurationen optimal sein. Eine flexible Planung, die verschiedene Szenarien berücksichtigt, erhöht die Chancen auf eine erfolgreiche Genehmigung.
Nachhaltige Rückbaukonzepte
Der Rückbau der alten Anlagen sollte umweltgerecht erfolgen, mit einem möglichst hohen Recyclinganteil. Dies ist nicht nur ökologisch sinnvoll, sondern kann auch die Akzeptanz des Projekts erhöhen.
Fallbeispiel: Repowering des Windparks Oberndorf
Ein gelungenes Beispiel für Repowering ist der Windpark Oberndorf in Niedersachsen. Hier wurden 2021 fünf Anlagen aus dem Jahr 2000 (je 1,5 MW) durch drei moderne Anlagen (je 4,2 MW) ersetzt. Die Gesamtleistung stieg von 7,5 auf 12,6 MW, während die jährliche Stromproduktion sich mehr als verdoppelte.
Besonders bemerkenswert war die Einbindung der lokalen Bevölkerung: Die Bürgerenergiegenossenschaft, die bereits an den alten Anlagen beteiligt war, erhielt auch am neuen Projekt einen Anteil. Zudem wurde ein Teil der Mehreinnahmen in einen Bürgerfonds eingespeist, der lokale Projekte unterstützt.
Herausfordernd war die Einhaltung der artenschutzrechtlichen Vorgaben: In der Nähe des Windparks brütete ein Rotmilanpaar. Durch eine angepasste Anlagenkonfiguration und die Installation eines Vogelerkennungssystems, das die Anlagen bei Annäherung des Milans automatisch abschaltet, konnte das Tötungsrisiko auf ein akzeptables Maß reduziert werden.
Fazit und Ausblick
Das Repowering von Windkraftanlagen bietet ein enormes Potenzial für die Steigerung der Windstromerzeugung in Deutschland, ohne dass dafür neue Flächen in Anspruch genommen werden müssen. Nach Schätzungen des Bundesverbands Windenergie könnten durch konsequentes Repowering bis 2030 zusätzlich etwa 45 GW Leistung installiert werden – ein wesentlicher Beitrag zum Erreichen der Klimaziele.
Die aktuellen gesetzlichen Rahmenbedingungen werden diesem Potenzial jedoch noch nicht gerecht. Zwar wurden im EEG 2021 einige Verbesserungen für Repowering-Projekte eingeführt, doch die planungsrechtlichen Hürden bleiben hoch. Hier sind weitere Anpassungen der rechtlichen Rahmenbedingungen notwendig, um das Repowering zu erleichtern und zu beschleunigen.
Für Betreiber bestehender Windparks ist es ratsam, sich frühzeitig mit dem Thema Repowering zu befassen – idealerweise mehrere Jahre vor dem Ende der Förderung nach dem EEG. Mit einer sorgfältigen Planung und unter Einbeziehung aller relevanten Akteure können die Chancen auf eine erfolgreiche Umsetzung deutlich erhöht werden.